Standpunkt Swissbau 2024

Längst keine Luftschlösser mehr

Natürliche Dämmung. Energieverluste bei Gebäuden lassen sich durch den Einsatz von natürlichen Dämmungen deutlich verringern. Dafür kommen eine Vielzahl von nachwachsenden Rohstoffen in Betracht, die regional erzeugt werden können – und sich gut anfühlen.

Die Pioniere des ökologischen Bauens hatten es nicht leicht. Konstruktionen mussten erprobt und Werkstoffe dafür oft erst noch entwickelt werden. Wichtige Aspekte der Öko-Bauten sind der Einsatz von nachwachsenden Baustoffen und die baubiologische Unbedenklichkeit der eingesetzten Materialien. Das gilt auch für die Dämmstoffe. Wer damals mühsam Schafwolle als lose Ware oder Holzfaserplatten zur Dämmung des Hauses verwendet hatte, galt schon fast als Öko-Spinner. Die Produzenten von Matten und Platten aus nachwachsenden Rohstoffen zur Dämmung steckten noch in den Kinderschuhen. Heute gibt es fast alles, und die Spinner von damals sind die Realisten von heute. Der Weg war lang und steinig. Akteure haben viel investiert und sind viel zu oft wieder von der Bildfläche verschwunden. Ob Holzfaser, Hanf, Schafwolle oder Flachs – von Trittschalldämmstreifen über loses Stopfmaterial bis hin zu den Matten und Platten ist die Vielfalt an natürlichen Dämmstoffen inzwischen schier nicht mehr zu überblicken. Was allerdings bis heute gleich geblieben ist: Die natürlichen Dämmungen sind eine Nische.

Aussen hui und innen auch

Nicht wenige denken sich: Was sich gut anfühlt, kann so schlecht nicht sein. Der Griff in die Mustersammlung mit natürlichen Dämmstoffen aus dem Haar von Schafen oder den Fasern von Hanf und Flachs ist weich und angenehm. Die Dämmwerte sind gut, die Verarbeitung ist einfach, der Brandschutz ist erfüllt, und geliefert werden kann auch. Trotzdem entscheiden sich viele für konventionelle Produkte. «Wir müssen immer noch viel erklären und darüber informieren, was es gibt», sagt Armin Martinelli, Fachberater bei der Haga AG für Naturbaustoffe in Rupperswil AG. Zwar sei die Holzfaserplatte bei Schreinern und Holzbauern bekannt, darüber hinaus werde jedoch kaum Notiz von der Vielfalt der möglichen Lösungen genommen. Ein bisschen egal sei es den Handwerkern auch oft, womit Wand und Dach am Ende gedämmt würden, so der Experte. Klar ist unterdessen: Wir müssen nachhaltiger Bauen, denn kaum etwas ist so klimaschädlich und ressourcenverbrauchend wie das Bauen und Wohnen. Allein 25 Prozent der Treibhausgasemissionen Europas werden laut eines aktuellen Berichts des European Academies Science Advisory Council (EASAC) durch den Energieverbrauch von Gebäuden verursacht. Der EASAC ist ein Zusammenschluss der Nationalen Akademien der Wissenschaften der EU-Staaten, Norwegens und der Schweiz. Schätzungen der UN gehen noch weiter. Danach gehen 2020 weltweit rund 40 Prozent der energiebezogenen CO2-Emissionen sowie mehr als die Hälfte des Ressourcenverbrauchs auf die Baubranche zurück.

Es fällt keine Lobby vom Himmel

Es ist eine Binsenweisheit: Am umweltfreundlichsten ist die Energie, die nicht verbraucht wird. Einfach machbar mittels Dämmung. Am besten mit einer, die selbst wenig Energie zur Herstellung benötigt und später einmal weiterverwertet werden kann. «Heute denken durchaus mehr Menschen darüber nach, was sie einsetzen», sagt Martinelli. Der Preis sei allerdings immer noch ein wichtiges Kriterium bei der Entscheidung, welche Dämmung eingesetzt wird, so der Experte. Natürliche Dämmmaterialien sind meist teurer als konventionelle Lösungen. Wer aktuell im Netz nach Dämmungen sucht, der findet jedoch auch andere Beispiele. So kostet eine 120 mm breite Dämmung aus Schafwolle mit knapp 50 Franken je Quadratmeter etwa gleich viel wie eine 120 mm breite XPS-Platte.

Die Benutzung eines U-Wert-Rechners im Internet zeigt: Nicht nur der Preis, auch die Dämmwirkungen sind vergleichbar. Schafwolle schützt so gut wie Mineralwolle oder XPS vor Wärmeverlust des beheizten Raumes.

Nicht Äpfel mit Birnen vergleichen

Zum Vergleich der spezifischen Dämmwirkung verschiedener Baustoffe eignet sich die Wärmeleitfähigkeit, besser bekannt als Lambda-Wert. Je kleiner der Wert, desto besser die Dämmwirkung. In der Praxis tauchen zwei verschiedene Werte auf. Zum einen der Nennwert der Wärmeleitfähigkeit (D) und zum anderen der Bemessungswert (B). Der Nennwert ist die Wärmeleitfähigkeit, die im Rahmen der europäischen CE-Kennzeichnung deklariert wird. Beim Bemessungswert sind noch Sicherheitszuschläge enthalten. Dieser wird bei der U-Wert-Berechnung eines Bauteils herangezogen.

Ein gewichtiger Vorteil von natürlichen Dämmmaterialien ist ihr guter sommerlicher Hitzeschutz. Natürliche Dämmstoffe schützen im Sommer besser vor Überhitzung als konventionelle Dämmstoffe.

Je nach Produkt kommen für Brandschutzeigenschaften und Dauerhaftigkeit verschiedene Zusätze zum Einsatz. Meist sind dies Salze, die für die gewünschten Eigenschaften sorgen. «Viele denken, dass sich natürliche Dämmstoffe für die Aussendämmung nicht eignen», sagt Martinelli. Die Muster der verputzten Wandaufbauten in der Ausstellung mit Kork-Dämmung bei der Haga AG sprechen da eine ganz andere Sprache, was vielleicht für eine weitere Verbreitung der Materialien sorgen könnte.

www.haganatur.ch

www.stroba-naturbaustoffe.ch

www.baustoff-natur.ch

Erprobt und bewährt

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Holzfasermatten und -platten, hergestellt aus Resthölzern von Sägewerken oder aus Frischholz, werden schon lange als Dämmstoff eingesetzt. Die Produktion erfolgt im Nass- oder Trockenverfahren, was unterschiedliche Eigenschaften mit sich bringt. Die Hersteller bieten eine breite Palette an druckfesten Platten und flexiblen Matten an. Auch loser Faserdämmstoff für das Einblasen in Hohlräume ist möglich.

Sowohl bei der Innen-, Zwischen- und Aus- sendämmung als auch bei Dach- und dem Einsatz in Wärmedämmverbundsystemen sind Holzfaserplatten einsetzbar und dabei mit den üblichen Werkzeugen zu bearbeiten. Die ökologische Dämmung bietet in allen Bereichen gute Werte: bei der Wärmedämmwirkung, dem sommerlichen Hitzeschutz und dem Schallschutz. Auch den Feuchtehaushalt reguliert die Holzfaser gut. Mit Baustoffklasse B2 ist der Dämmstoff als normal entflammbar klassifiziert. Die Wärmeleitfähigkeiten (Lambda-Bemessungswerte) der Produkte liegen zwischen 0,036 und 0,043 W/mK.

www.steico.com

www.pavatex.de

www.gutex.ch

Volle Wolle

Mit den Produkten in Form von Matten und Rollware kam der Durchbruch für die Schafwolle als natürliche Dämmung. Bild: Christian Härtel

Neben der ausgezeichneten Wärmedämmung von Wand, Dach und Boden eignet sich das Naturprodukt auch zur Fenster- und Fugenabdichtung und wird als Trittschall- und Akustikdämmung eingesetzt. Neben dem Schutz vor Hitze und Kälte schafft Schafwolle ein gesundes Raumklima und reguliert die Luftfeuchtigkeit in den Räumen. Ihre Fähigkeit, Schadstoffe aus der Luft aufzunehmen, macht sie zu einer besonders wohngesunden Dämmung. Produkte aus reiner Schafschurwolle erreichen die Brandklassifizierung B1, schwer entflammbar. Die Wollfasern brennen nicht, sondern schmelzen bei Feuereinwirkung, ohne dabei zu tropfen.

Gegen den Schädlingsbefall durch Motten braucht die Wolle einen Schutz, auf dessen Unbedenklichkeit geachtet werden muss. Die Anti-Motten-Mittel sind bislang chemisch erzeugte Biozide. Mittels Fasermodifikation gelang es dem österreichischen Hersteller Isolena, die Wolle für Motten unattraktiv zu machen und so zu schützen. Das biozidfreie Verfahren ist nach natureplus zertifiziert. Ansonsten enthalten die Produkte keinerlei Bindemittel oder Stützfasern, da das Filzen der Wolle für die stabile Struktur sorgt und die Wolle damit nach der Nutzung einfach verrottbar ist.

Die Lambda-Bemessungswerte für die verschiedenen Dämmstoffe aus Schafwolle liegen zwischen 0,033 und 0,042 W/mK.

www.isolena.ch

www.fisolan.ch

Im eigenen Garten geerntetMit den Produkten in Form von Matten und Rollware kam der Durchbruch für die Schafwolle als natürliche Dämmung. Bild: Christian Härtel

Die besten Fasern dienen der Herstellung von angenehmer Sommerbekleidung, wie Leinen. Die anderen Fasern der heimischen Pflanzen Hanf und Flachs liefern Fasern, mit denen sich Dämmplatten, Matten, Stopfdämmungen bis hin zu Schüttungen für den Bodenaufbau herstellen lassen. Ein kleiner Anteil an synthetischen Stützfasern stabilisiert die Platten und Matten aus den Fasern, was eine spätere Kompostierung allerdings vereitelt.

Die vielfältigen Formen der Produkte widerspiegeln die Einsatzbereiche. Für praktisch alle Baukonstruktionen bis hin zum Wärmedämmverbundsystem lassen sich die Faserprodukte einsetzen. Neben der Wärmedämmung weisen beide einen guten sommerlichen Hitzeschutz sowie gute Schallschutzeigenschaften auf. Flachs hatte bei Untersuchungen in der Vergangenheit teils besonders gute Schalldämmwerte erreicht. Beide sorgen für einen sommerlichen Hitzeschutz, eine hohe Kapazität der Feuchtigkeitsregulierung und damit ein angenehmes Raumklima.

Dämmungen aus Hanf sind unempfindlich gegenüber Schädlingsbefall. Durch den Zusatz von Soda werden die Produkte der Baustoffklasse B2, normal entflammbar, zugeordnet. Auch bei Flachpflanzen wird Borsalz oder Soda in geringer Menge für das Erreichen der Brandschutzklasse B2 zugegeben. Der Flachs ist als Kultur empfindlicher als Hanf und wird je nach Bewirtungsart mit entsprechenden Schutzmassnahmen konventionell landwirtschaftlich behandelt.

Die Wärmeleitfähigkeit (Lambda-Bemessungswert) von Hanfmatten liegt zwischen 0,035 und 0,045 W/mK, diejenige von mattenartigen Flachprodukten ist mit 0,036 bis 0,040 W/mK besser.

Neben den Hanf- und Flachsfasern kommen auch vermehrt Jute, Schilf und Seegras als Pflanzenfasern für die Dämmung zum Einsatz. Auch Mischungen der Fasern miteinander können neue Produkte mit optimierten Eigenschaften hervorbringen.

www.thermo-hanf.de

www.dämmflachs.at

Borke ohne Zusätze

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Kork scheint eine echte Alternative vor allem dort zu sein, wo feste Platten von Vorteil sind, wie etwa im Putzaufbau eines Wärmedämmverbundsystems. Dazu wird das Material flächig mit Nuten versehen, damit die Haftung der Putzschichten erhöht wird. Aber auch im Trockenbau stellt der Werkstoff aus der geschroteten Borke der Korkeiche eine Lösung für alle baulichen Situationen der Wärmedämmung dar. Durch den grossen Vorteil der Druckfestigkeit mit etwa 130 kg/m3 kann Kork sogar unter dem Estrich angewendet werden.

Das grob geschredderte Material wird unter Hitzeeinwirkung ohne Zusätze verpresst. Aus der Hitze resultiert die dunkle Farbe des Werkstoffes und weist gleichzeitig auf eine besondere Eigenschaft hin. Kork brennt äusserst schlecht, deshalb landet das Material auch in der Klasse B1, schwer entflammbar.

Gegenüber Schädlingen und Fäulnis ist das Naturmaterial unempfindlich. Schützende Zusätze sind nicht nötig. Im Kork sind Tannine enthalten und wenig Eiweiss, weshalb Pilze keinen guten Nährboden finden. Kork wird deshalb zum Verzapfen von Flaschen verwendet.

Kork ist aber auch diffusionsoffen, kann also Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben. Die Lambda-Bemessungswerte für die Korkplatten zur Dämmung fallen mit 0,040 bis 0,045 W/mK spürbar schlechter aus als die der anderen Vertreter der natürlichen Dämmmaterialien.

Hergestellt werden die Platten in Portugal, dem weltweit grössten Korkproduzenten. Das führt zu einer gewissen Belastung der ansonsten hervorragenden Ökobilanz durch den Transportweg.

www.amorim-deutschland.de

 

Nicht nur Zellulose

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Zellulose ist längst nicht mehr das einzige Schüttmaterial, das zum Zwecke der Wärmedämmung in Hohlräume eingeblasen werden kann. Auch mit Holzfasern, Perliten oder Korkgranulat wird so verfahren. Eingesetzt wird die Variante etwa bei Dachkonstruktionen als Zwischensparrendämmung, bei Hohlräumen von Geschossdecken und Installationsschächten oder in die Luftschichten zweischaliger Wandkonstruktionen. Das aufgelockerte, lose Material wird maschinell mittels Luftdruck in die Bauteile eingeblasen und verteilt sich raumfüllend. Wichtig ist, dabei eine fugenlose und durchgängige Dämmschicht zu erzielen, weshalb das Verfahren meist durch Fachbetriebe eingesetzt wird. Vorteil des Prozederes: Auch schwer zugängliche Stellen, vor allem bei Altbauten, lassen sich so wirkungsvoll dämmen. Aber auch bei modernen Konstruktionen mit Holzrahmenelementen wird Zellulose eingesetzt. Die Elemente werden dann bereits in der Fertigung befüllt.

Nicht unbeachtlich ist der Anteil an Zusätzen in Form von 3 bis 20 Prozent Borsalzen oder Ammoniumphosphat. Je nach Menge erreicht das Material die Klasse B2 oder B1. Die beachtliche Menge an Salz soll darüber hinaus einen Schädlingsbefall verhindern. Zellulose, als einer der Hauptbestandteile von Holz, ist grundsätzlich anfällig für Destruenten. Wegen der energiearmen Herstellung des Dämmstoffes, für den in der Regel Altpapier eingesetzt wird, gilt der Dämmstoff als ökologisch.

Für Fachkundige bieten Handelsunternehmen Mietgeräte und Hilfsmittel für das Einbringen der Dämmung an. Eine Durchfeuchtung des Materials ist dabei unbedingt zu vermeiden. Weiter sind gesundheitliche Schutzmassnahmen gegen die kaum zu vermeidende Staubentwicklung wichtig.

Wie andere natürliche Dämmstoffe auch soll das Material neben den Wärmedämmeigenschaften auch sommerlichen Hitzeschutz und gute Schalldämmeigenschaften aufweisen.

Die Wärmeleitfähigkeiten der verschiedenen Produkte liegen zwischen 0,039 und 0,042 W/mK.

www.thermofloc.com

www.isofloc.de

Christian Härtel