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Klimapioniere im Betonbau

Beim Bauen sind auch indirekte Treibhausgasemissionen relevant. Die Branche ist deshalb daran, den CO2-Fussabdruck mit schlanken Bauteilen und innovativen Baustoffen zu reduzieren.

30, 20 oder 12 cm? Wie dick oder dünn eine Betondecke ist, beschäftigt Bauingenieurinnen und -ingenieure tagtäglich. Neuerdings beginnen sich auch institutionelle Investoren für anatomische Details von Gebäuden zu interessieren. Denn in dessen mineralischem Skelett verbergen sich einige Treibhausgasemissionen: Eine Tonne Beton zu produzieren, verursacht 100 Kilogramm CO2. Genau deshalb organisierte der Verein Reida eine Pecha-Kucha-Night zur «Transparenz bei grauer Energie». Der Verein selbst entwickelt im Auftrag von Banken und Pensionskassen einen inländischen Benchmark für die CO2-Intensität von Immobilien.

In seinem Vortrag über den Betonbau veranschaulichte Umweltberater Christoph Ospelt mehrere klimaschonende Bauteilsysteme. Zum Beispiel die Beton-Rippendecke. «Diese sind teilweise nur 12 cm dünn.» Aber auch Massivdecken mit Hohlkörper oder mit geschütteter Zwischenschicht seien schlanker, aber ebenso robust und schwingungsfrei wie oft übliche 30 cm dicke Betonplatten. Derweil erprobt das Architekturdepartement der ETH Zürich eine mineralische Deckenkonstruktion, die 70 % weniger Beton benötigen.

 

Klimaschonende Rezeptur
Nicht nur in Forschungslabors oder auf Baustellen werden innovative Verfahren gesucht, um Materialien effizienter zu einzusetzen. Sondern auch Betonwerke gehen immer häufiger dazu über, ihre Produktionsketten klimafreundlicher zu organisieren. Es spricht sich intern und unter Bestellern herum: Mit einer optimierten Rezeptur lässt sich die spezifische CO2-Bilanz von Beton um mindestens einen Zehntel bis sogar einen Drittel verringern.

Ohne Gewähr auf Vollständigkeit bietet der inländische Markt inzwischen drei bis vier verschiedene Betonprodukte an, die auf jeweils unterschiedliche Weise klimaoptimiert sind. «Zirkulit» und «Ecopact» weisen fast dieselben Zutaten auf: Erstens enthalten sie so wenig Zement wie möglich, der – zweitens – seinerseits nur ein Mindestmass an gebranntem Klinker enthält. Und drittens wird mineralisches Recyclingmaterial beigemischt, das zuvor mit CO2 versetzt ist. Die Karbonatisierung allein kann etwa zehn Prozent der produktionsbedingten Treibhausgasemissionen von Beton kompensieren.

 

Anhaltende Nachfrage
Seit diesem Jahr bietet die Start-Up-Firma «Neustark» das Kohlendioxidbad kommerziell an. Sprecherin Sophie Dres bestätigt, dass die Nachfrage anhält. «Die Markteinführung ist erfolgreich.» Recycling- und Betonwerke in der Schweiz und im Ausland möchten RC-Kies mit CO2 anreichern. «In den Grossregionen Basel und Zürich werden klimaoptimierte Betonsorten fast schon standardmässig bestellt», freut sich Neustark-Sprecherin Dres.

Auf amtlicher Ebene sind dagegen Hürden zu nehmen: Der Speichereffekt (Carbon Capture Utilisation Sequestration CCUS) ist in einer CO2-Bilanzierung vorläufig nicht abzugsfähig. Um dies zu ändern, sind einige Auflagen zu erfüllen. Die Wichtigste hat Neustark jedoch erfüllt: Für die Karbonatisierung wird Kohlendioxid aus inländischen Biogas- und Abwasserreinigungsanlagen (ARA) verwendet. Auch in der ARA Bern wird das Treibhausgas, das sonst in die Atmosphäre entweichen würde, neuerdings verflüssigt und in Transportbehälter gepresst.

 

Ton oder Pflanzenkohle als Beigabe
Eine andere Betonrezeptur erforschten Fachleute der ETH in Lausanne. In ihren Labors ersetzten sie 50 % des Klinkers gleichwertig mit speziell verarbeitetem Kalkstein. Nun entstand daraus ein marktreifes inländisches Produkt: Der «Jura Eco3» enthält gebrannten Ton als Teilersatz von Klinker und reduziert seine spezifische CO2-Intensität um etwa einen Drittel, verglichen mit Frischbeton aus Standardproduktion.

Erhältlich ist im Weiteren der «klimaneutrale Beton Klark». Ohne die chemische Wirkung des Baustoffs zu verändern, wird Pflanzenkohle als CO2-haltiger Füllstoff beigemischt. Diese Zugabe soll die produktionsbedingten Treibhausgase des Betons auch hier mengenmässig kompensieren. Allerdings ist das für eine Gebäudebilanzierung wenig relevant: Die Pflanzenkohle darf derzeit nicht als CO2-Senke berücksichtigt werden.

 

Alternativen für gebrannten Klinker
Auch am Zement wird verschiedenes ausprobiert, um das Herstellungsverfahren zu dekarbonisieren. Jetzt schon erlauben die Produktenormen, den Gehalt an gebranntem Klinker auf 25 bis 33 % zu beschränken. Dadurch lassen sich die Mengen an Kalkstein und Mergel senken, deren Sinterungs- und Brennprozesse jeweils viel Treibhausgas erzeugen. Anstelle von Klinker kommen karbonatfreie Abfallprodukte etwa aus dem Gebäudeabbruch zum Zug: Die entsprechenden Zementsorten CEM ZN/D und CEM II verursachen 10 bis 20 % weniger produktionsbedingte CO2-Emissionen.

Die Zementindustrie unternimmt derzeit einige Anstrengungen, um klimafreundlichere Brennstoffe zu verwenden. Inskünftig hofft die Branche aber auf die CCS-Technologie, mit der sich CO2 direkt ab Werk einfangen und endlagern lässt. In Norwegen soll die erste Anlage Ende 2024 ihren Betrieb aufnehmen. Doch die Baubranche muss nicht einmal darauf warten. Sie kann schon heute nur so viel Beton und Zement wie nötig und so klimaoptimiert wie möglich verwenden.


Bauen mit Beton und klimafreundliche Baumaterialien sind bei den Ausstellern in der Messe und in den Veranstaltungen im Swissbau Focus & Lab ein grosses Thema.

Veranstaltungen:

Materialwahl in Zeiten der Klimakrise
https://www.swissbau.ch/de/e/materialwahl-in-zeiten-der-klimakrise.37613

Gemeinsam gestalten wir eine kreislauffähige Zukunft – mit Beton als unserem starken Fundament!
https://www.swissbau.ch/de/e/gemeinsam-gestalten-wir-eine-kreislauffaehige-zukunft-mit-beton-als-unserem-starken-fundament.37629

 

Radon in Gebäuden
https://www.swissbau.ch/de/e/radon-in-gebaeuden.41612

 

Mining the atmosphere: CO₂-negative Baumaterialien
https://www.swissbau.ch/de/e/mining-the-atmosphere-co-negative-baumaterialien.37435

 

Kreislauffähige Konzepte in der Praxis mit Durable, KohlenKraft, Oxara & Xella
https://www.swissbau.ch/de/e/kreislauffaehige-konzepte-in-der-praxis-mit-durable-kohlenkraft-oxara-xella.41396

 

Erhalt von Bauwerken in der Praxis mit irmos technologies, myEnergySolutions & TALPA Inspection
https://www.swissbau.ch/de/e/erhalt-von-bauwerken-in-der-praxis-mit-irmos-technologies-myenergysolutions-talpa-inspection.43041

 

World Café mit neuen Ideen für die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft
https://www.swissbau.ch/de/e/world-caf-mit-neuen-ideen-fuer-die-umsetzung-der-kreislaufwirtschaft.41373

 

Neue Ideen für die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft
https://www.swissbau.ch/de/e/neue-ideen-fuer-die-umsetzung-der-kreislaufwirtschaft.40350

 

Zirkuläres Bauen konkret
https://www.swissbau.ch/de/e/zirkulaeres-bauen-konkret.43322

 

 

69 Beiträge auf der Swissbau Webseite
https://www.swissbau.ch/de/suche/posts?q=Beton

 

Holcim: «CONCRETE ACTION – der Podcast für nachhaltiges Bauen»
https://www.swissbau.ch/de/c/concrete-action-der-podcast-fuer-nachhaltiges-bauen-von-holcim-schweiz.42506

 

Alle Anbieter zum Thema Beton
https://www.swissbau.ch/de/suche/providers?q=Beton&_p=e