Referenzen Swissbau 2024

Dreiklang – der Neubau des Kantonsspitals Aarau

Das KSA Kantonsspital Aarau war Schauplatz für die Medienkonferenz zur Swissbau 2024 – nicht zufällig, denn das KSA realisiert aktuell einen kompakten Ersatzbau.

Das Projekt «Dreiklang» wird mit der BIM-to-Field Methode komplett papierlos auf der Baustelle realisiert. Sergio Baumann, Leiter Departement Betrieb des KSA, zeigte den Medienschaffenden in seiner Präsentation und bei einem geführten Rundgang die Besonderheiten. Dies ist ein Ausschnitt aus dem Projekt Dreiklang und zeigt exemplarisch, wie mit dem Dreiklang ein prozessoptimiertes und gleichzeitig modernes, nachhaltiges Spital für mehrere Generationen im Entstehen ist.

Das Kantonsspital Aarau (KSA Aarau) ist eines der grossen Spitäler in der Schweiz. Der letzte grössere Umbau fand in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts statt. Jetzt wird wieder gebaut, um den modernen Anforderungen an die medizinische Versorgung weiterhin gerecht zu werden.

Der Neubau des Kantonsspitals Aarau wird in Minergie P-Eco Standard auf dem bestehenden Gelände errichtet. Ein viergeschossiges Sockelgebäude mit sechsgeschossigem, nach innen versetztem Aufbau, eingebettet in eine grosse Parklandschaft. Es enthält 472 stationäre Betten, 130 tagesklinische Plätze und 18 OP-Säle. Neue, intelligente Prozesse sollen für optimale Abläufe sorgen. Nach Plan ist das neue Spital Mitte 2026 bezugsfertig.

Prozesse, Prozesse, Prozesse
Heute werden im KSA Aarau ambulante und stationäre Behandlungen parallel in denselben Strukturen durchgeführt. Das ist historisch bzw. durch die heutige dezentrale Infrastruktur bedingt. Betriebswirtschaftlich ist das jedoch nicht sinnvoll. In Zukunft werden ambulante und stationäre Prozesse konsequent getrennt. Das zeigt sich im Konzept des Dreiklangs. Der Dreiklang gliedert sich in die drei Hauptbereiche (Ambulatorien, Funktionsbereich und Bettenstation), die dennoch eine Einheit bilden – einen "Dreiklang". Die drei komplett voneinander getrennten Teile bilden damit die Basis des Baukonzeptes. Der ambulante Teilbereich wird durch einen lichtdurchfluteten Boulevard mit dem Funktionsbereich verbunden sein. Während der ambulante Bereich künftig zu üblichen Büroarbeitszeiten betrieben wird, herrscht in den anderen Bereichen wie gewohnt ein 24-Stunden-Betrieb.

Bild1.png (0.2 MB)

Neben der Trennung von ambulantem und stationärem Bereich, dominierte in der Konzeption der Grundgedanke: kurze Wege für Personal und Patientinnen und Patienten. Alle Disziplinen und Bettenstationen sind unter einem Dach. Stark frequentierte Stationen wie der Notfall oder die Radiologie befinden sich im Erdgeschoss. Auf den Bettenstationen sind Einbettzimmer eingeplant. Im Neubau gibt es nur noch Einbettzimmer. Das hat verschiedene Vorteile, z. B. es vereinfacht die Prozesse, und es lässt sich eine bessere Bettenauslastung gewährleisten. So müssen heute freie Betten in Mehrbettzimmern gesperrt werden, wenn dort ein ansteckender Patient liegt. Dank der Einbettzimmer wird die Bettenbelegung vereinfacht, da sich die Frage beispielsweise nach dem Geschlecht oder kultureller Aspekte nicht mehr gestellt werden muss. Einzelzimmer bieten auch die nötige Privatsphäre für Patienten-Arzt-Gespräche. Durch das Gewähren von mehr Ruhe wird mit einer Reduktion der Aufenthaltsdauer der Patientinnen und Patienten gerechnet. Damit wird auch dem steigenden Bedürfnis der Patienten nach Privatsphäre entsprochen.

Ökologie
Mit dem Neubau Dreiklang und dem Rückbau verschiedener Gebäude, wird die Fragmentierung der Grünfläche des KSA Aarau aufgelöst. Die Grünfläche wird sogar um rund 20'000 m2 erhöht. Der Spitalneubau Dreiklang wird dereinst von rund 94'000 m2 Grünfläche umgeben sein. Der wunderschöne Park wird nach der Bautätigkeit wieder eine grüne Oase für Mitarbeitende, Patientinnen und Patienten, Besucherinnen und Besucher sowie für Anwohnende sein und Erholung bieten.

Dass das KSA Aarau auf Nachhaltigkeit setzt, zeigt sich nicht nur an der Parkanlage. Das KSA lancierte im April 2022 als eines der ersten Spitäler einen «Green Bond» von CHF 120 Mio. für die Finanzierung des Neubaus. Diese «Grüne Anleihe» beschreibt ein festverzinsliches Wertpapier, das zur Kapitalbeschaffung für Aktivitäten zur Verringerung bzw. Verhinderung von Umwelt- bzw. Klimaschäden dient.

Nachhaltigkeit bedeutet fürs KSA u.a. ein ressourcenschonender und ökologischer Umgang mit Energie, Nahrung, Verkehr oder Wasser. Photovoltaik-Anlagen sollen zukünftig rund 5 % des benötigten Stroms für den Direktverbrauch (ohne Lagerung) produzieren. Die Lichtsteuerung in den Aussenbereichen wird auf PIR-Sensor- Technologie umgestellt. Damit dimmt das Licht bei Nicht-Gebrauch herunter. So wird bis zu 80% Energie eingespart und die Lichtverschmutzung drastisch reduziert.

Erneuerbare Energie
Zusammen mit der dem lokalen Energieversorger Eniwa baut das KSA Aarau auf seinem Areal eine Energiezentrale. Sie wird langfristige die Energieversorgung des gesamten KSA Aarau noch sicherer machen. Die Spitaleigene Abwärme wird für die Wärmeproduktion genutzt oder ins regionale Fernwärmenetz eingespiesen. Und dank der Energiezentrale wird auch die Versorgungssicherheit der angeschlossenen Region erhöht.

Weniger Food Waste
Auch bei der Patientenverpflegung geht das KSA Aarau neue Wege und setzt auf ein vom Universitätsspital Basel entwickeltes System mit vorbereitenten Menüs nach höchsten Qualitätsstandards. Die Zubereitung der Speisen rückt mit den regenerierbaren Menüs näher an die Patientinnen und Patienten und das längere Warmhalten von Mahlzeiten fällt weg, was sich positiv auf Qualität und Nährwertgehalt auswirkt. Doch nicht nur das. Trotz sehr präziser Planung lässt sich heute Food Waste nicht verhindern. Mit dem neuen System wird sich das ändern. Es wird bedeutend weniger Food Waste geben, und damit wird sich die Ökobilanz gegenüber der herkömmlichen Verpflegungsart um 18 Prozent verbessern.

Verkehrsentlastung
Das KSA hat seit Jahren ein Mobilitätskonzept und entwickelt dieses stetig weiter. Ein moderner Spitalbetrieb bringt Verkehr mit sich. Angehörige besuchen Patientinnen und Patienten in ihren schweren Stunden und die mehr als 4‘600 Mitarbeitenden pendeln täglich ins KSA – meistens mit dem öV oder dem Fahrrad. Zu guter Letzt müssen Notfälle schnell versorgt werden, um die Patientensicherheit zu gewährleisten. Das KSA hat den Neubau Dreiklang als Chance genutzt, um das Verkehrsaufkommen zielgerichtet zu optimieren und die Belastung für die angrenzenden Quartiere zu reduzieren. Bis 2025 sorgen zwei neue Einfahrten für eine gezielte Steuerung des motorisierten Verkehrs. 450 zusätzliche Veloabstellplätze direkt vor dem Neubau und optimierte Bushaltestellen fördern den Langsamverkehr und die Nutzung des öffentlichen Verkehrs. Der neue Standort für den Notfall stellt einerseits die schnelle Versorgung von Betroffenen sicher und reduziert ausserdem den Lärm in den Quartieren. Das ganze Areal wird zusätzlich vom Schwerverkehr befreit, da die Logistikanlieferung direkt über die Kantonsstrasse zum neuen Logistik-HUB erfolgt.

Entsorgung nach niederländischem Vorbild – Wasser reinigen und wiederverwenden
Die Niederlande setzen bei Neubauten von Spitälern auf das sogenannte Pharmafilter-System. Dies ist ein in Zusammenarbeit mit dem Reinier de Graaf Spital entwickeltes Abfall-Entsorgungssystem.

Hauskehricht, Essensabfälle und organische Abfälle werden im Neubau nicht mehr auf den Stationen gelagert und zu einem späteren Zeitpunkt eingesammelt, sondern sofort über spezielle Abfallbehälter mit einem Mahlwerk (Tontos) zerkleinert und über ein internes Kanalsystem zur Aufbereitung transportiert. Die Entsorgung auf den Stationen wird dadurch hygienischer und die Logistikprozesse werden optimiert. Die Pflege- und die Logistikmitarbeitenden werden entlastet.

Das Pharmafilter-System besteht im Kern aus einer hochmodernen Wasseraufbereitungsanlage. Mit dem Neubau wird das KSA damit als erstes Spital in der Schweiz auch sämtliches Abwasser über eine eigene Abwasseraufbereitungsanlage reinigen. Sie hilft dabei, das gesamte Abwasser des Spitals in einem geschlossenen System mit modernsten Technologien und Filtern einwandfrei zu reinigen und aufzubereiten sowie dem System als Grauwasser wieder zurückzugeben. Es wird für die WC-Spülung oder für die Bewässerung des riesigen Parks eingesetzt. Das ist kosteneffizient und schont die natürlichen Ressourcen. Das KSA Aarau spart dadurch ca. 50 % des benötigten Frischwassers oder anders ausgedrückt, werden rund 70‘000 m³ pro Jahr gespart, was ungefähr der Menge an Frischwasser entspricht, die 1’350 Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz jährlich für den privaten Gebrauch benötigen.

Digitalisierung
Digitalisierung ist heutzutage bei jedem modernen Grossbau ein Thema. Im Neubau Dreiklang wird das jedoch umfassend umgesetzt. Bereits in der Ausschreibung stand, dass der Bau digital zu sein hat. Damit kann der Unterhalt später ebenfalls mit digitaler Unterstützung erfolgen. Folglich wurde das gesamte Haus ausschliesslich mit BIM (Building Information Modeling) geplant und ausgeführt. Papierpläne sind auf der Baustelle keine anzutreffen. Es war die erste Baustelle in der Schweiz, auf der vollständig auf digital gesetzt wurde.

Im BIM-Modell wird der Bau in einem 3D-Format aus über 1,5 Millionen Bauteilen dargestellt. Aufbauend auf diesem Modell wird ein sogenannter digitaler Gebäudezwilling erstellt, der das Spital mit allen Räumlichkeiten digital darstellt. Alle eingebauten Komponenten wie Pumpen, Motoren, etc. werden mit einem EAN-Code versehen und im System mit weiteren Hintergrunddaten zum Bauteil hinterlegt. Alle Daten aus dem BIM werden für den späteren Unterhalt in das CAFM (Computer Aided Facility Management) übernommen. Über einen Scan des EAN-Codes kann so beispielsweise einfach und eindeutig gemeldet werden, welche Komponente defekt und zu reparieren ist. Auch Unterhaltsintervalle können unkompliziert hinterlegt werden und erleichtern später den Unterhalt. Die Unterhaltstechniker werden zukünftig ebenfalls mit Hilfe von Tablets arbeiten.

Im Neubau werden zudem auch wichtige Mobilien, MedTec-Geräte, Betten etc. mit einem Bluetooth Smart Beacon ausgestattet. Damit können diese Elemente jederzeit geortet und gefunden werden. Und auch notwendige Wartungsintervalle können einfach und zuverlässig durchgeführt werden. Ein Technologie-Einsatz, der in diesem modernen Spital neue und einfachere Prozesse ermöglicht.

Besonders in der Logistik sind gut durchdachte Prozesse bares Geld wert. Im Neubau hat die IT-Unterstützung der Prozesse hohe Priorität. Heute schon steuert eine Applikation den Materialfluss automatisch. Eingaben von Hand sind nicht mehr notwendig. Wäsche und Verpflegung sind vergleichbar geplant. Mit Chips in jedem Wäschestück und voll digitalisierten Prozessen werden weitere Effizienzsteigerungen erzeugt.

Digitale Methoden haben uns auch bei der Planung des Neubaus unterstütz. Aufbauend auf den vorhandenen digitalen Daten wurde das gesamte Haus in die Virtual-Reality-Welt überführt. So konnten mit den Nutzern reale Tests in der virtuellen Welt durchgeführt, Prozesse überprüft, Fehler frühzeitig korrigiert und Layouts optimiert werden. Nebenbei lernten die zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer ihr neues Spital auch gleich noch von innen kennen – ohne dass es schon gebaut war.

Und sogar die Signaletik wird «digitalisiert». Im ganzen Haus werden Sender installiert sein, welche eine Indoor-Navigation erlauben. Damit können Besucherinnen und Besucher sowie Patientinnen und Patienten über Google Maps vor das Haus navigiert werden. Ab dort übernimmt die Indoor-Navigation nahtlos und führt Patientinnen innerhalb des Hauses auch von Stockwerk zu Stockwerk. Die Technologie übernimmt die gängigen Outdoor-Navigation nahtlos, sodass man keinen Unterschied merkt zwischen Outdoor- und Indoor-Navigation.

Dies ist ein Ausschnitt aus dem Projekt Dreiklang und zeigt exemplarisch, wie mit dem Dreiklang ein prozessoptimiertes und gleichzeitig modernes, nachhaltiges Spital für mehrere Generationen im Entstehen ist.